nikolausdulgeridis
  Erregungsjournalismus
 
Hundert zu eins - die Psychologie des Erregungsjounalismus

Manchmal ist es die Schlagzeile die wir nicht lesen, die Beachtung verdient. Manche verwenden den Begriff Erregungsjournalismus, ein Wort das freundlich den Umstand umschreibt, wenn Journalismus die nüchternen und faktengesteuerten Pfade verlässt und sich gemeinsam auf ein Ziel stürzt, wobei zuweilen auch Wahrheit und Ethik als lästige Bürden abgestreift werden. 

Jüngst kam der Fall Maddie wieder in die Schlagzeilen, ein vorbestrafter Deutscher geriet in Verdacht mit diesem Fall und mit dem Verschwinden eines anderen Mädchens zu tun zu haben. Die Eltern hatten jedoch einen Leidensweg der besonderen Art hinter sich. Nachdem sie offenbar den Mitleidsvorrat der Öffentlichkeit überstrapaziert hatten, gerieten auf einmal die Eltern in das Visier der portugiesischen Emittler. Die Suche nach dem Kind wurde eingestellt, stattdessen begann für die sowieso gepeinigten McCanns ein Spießrutenlauf. Auf einem deutschen Sender erläuterte eine Expertin welche geistige Störung eine Frau dazu trieb, ihr eigenes Kind zu töten und danach der Öffentlichkeit die verzweifelte Mutter vorzuspielen und eine aufwendige Suche nach der vermissten Tochter zu veranlassen.

Vorbei das Bild der liebevollen Familie, stattdessen ein Strudel unterdrückter Gewalt und fataler psychischer Abhängigkeiten. Dieses Psychogramm liess nur ausser Acht, dass das Arztehepaar psychisch nie auffällig gewesen war, einem verantwortungsvollen Beruf nachging, der die in solchen Fällen typische und erforderliche Enge und Isolation nicht erlaubte, sowie dass auch der Mann eine schwer gestörte Psyche aufweisen musste, da er nicht nur den Mord an der Tochter deckte, sondern auch das nervenaufreibende Psychospiel seiner Frau bedingungslos unterstützte.

Nicht ganz überraschend wurden die höchst vagen Vermutungen der Ermittler nach einiger Zeit zurückgezogen, aber der Verdacht gegen die Eltern, einmal ausgesprochen blieb hängen. So fiel auch die Reaktion auf den Durchbruch in der Ermittlung eher verhalten aus. So als spürten die Jornalisten, die wahre Schlagzeile müsste eigentlich lauten, Ehepaar McCann von den haltlosen Verdächtigungen einer moralisch befreiten und sensationsorientierten Presse endlich reingewaschen.




erstellt: 10.6.20



 
  53 Besucher